Nord-Süd-Konflikt und deutsche Entwicklungspolitik

Nord-Süd-Konflikt und deutsche Entwicklungspolitik
Nord-Süd-Konflikt und deutsche Entwicklungspolitik
 
In den 70er-Jahren begann sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Gegensatz zwischen den Industriestaaten der nördlichen Erdhalbkugel und der Dritten Welt mindestens die gleiche politische Brisanz hatte wie der Ost-West-Konflikt. Das rasche Bevölkerungswachstum in vielen Ländern der Dritten Welt führt bei einer unterentwickelten Landwirtschaft zu Ernährungsproblemen bis hin zu Hungerkatastrophen. Dem gegenüber steht die Welt der Industriestaaten in West und Ost, die für Hunderte von Milliarden Dollar jährlich eine atomare Hochrüstung unterhält und eine Überproduktion von Nahrungsmitteln aufweist.
 
Einen Ausgleich der Gegensätze versucht bisher mit geringem Erfolg der Nord-Süd-Dialog zu schaffen - etwa im Rahmen der Konferenz über internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit (seit 1975). Wichtige Forderungen der Dritten Welt sind dabei die Stabilisierung der Rohstoffpreise und der Zugang zu den Märkten der Industriestaaten. 1977 konstituierte sich eine unabhängige »Nord-Süd-Kommission« unter dem Vorsitz von Willy Brandt, deren 1980 vorgelegte Vorschläge für einen partnerschaftlichen Ausgleich zwischen Nord und Süd allerdings keinen Eingang in die politische Praxis fanden. Die finanzielle Lage vieler Entwicklungsländer hat sich in den 80er-Jahren, auch aufgrund der amerikanischen Hochzinspolitik, dramatisch verschlechtert. Viele Staaten waren nicht mehr in der Lage, mit ihren Exporterlösen Zins und Tilgung für ihre Kredite zu bezahlen.
 
Ziel der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik in den 70er-Jahren war »Hilfe zur Selbsthilfe«. So sollten die Lebensbedingungen verbessert, die Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Außenpolitische Interessen sollten dabei nicht im Vordergrund stehen, doch sollte die Entwicklungshilfe den Frieden sichern und »Handelspartner von morgen« gewinnen. Den »Grundlinien« der christlich-liberalen Bundesregierung zufolge ist die Entwicklungshilfe Teil weltweiter, auf Frieden, Ausgleich und Stabilität gerichteter Politik. Sie sei nicht nur Gebot christlicher Nächstenliebe und mitmenschlicher Solidarität, sondern liege auch im Eigeninteresse der exportorientierten Bundesrepublik.
 
Eine gemeinsame Linie der Entwicklungshilfe verfolgen die EG-Staaten durch verschiedene Abkommen mit den inzwischen 70 AKP-Staaten (Staaten des afrikanischen, karibischen und pazifischen Raumes). So haben die AKP-Erzeugnisse, Agrarprodukte ausgenommen, freien Zugang zum EG-Markt. Die finanzielle Unterstützung ist im IV. Lomé-Abkommen von 1989 beträchtlich aufgestockt worden. Dabei werden die Mittel nicht mehr gleichmäßig verteilt, sondern vor allem in Gebiete ernster Notstände gelenkt. Im Jahr 1993 stellte die Bundesrepublik 504,5 Millionen DM für Nahrungsmittelhilfe bereit. Damit kann zwar Not gelindert werden, die Lösung der strukturellen Probleme bleibt allerdings - auch aufgrund politischer Konstellationen - ein schwieriges Unterfangen.

Universal-Lexikon. 2012.

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